Schaltlichtbögen sind ein im Prinzip gut untersuchtes Phänomen in der Elektrotechnik. Moderne Antriebe mit permanenterregten Synchronmaschinen, die mit Umrichtern bei Frequenzen von teilweise deutlich über 50 Hz betrieben werden, stellen aber eine neue Herausforderung für die Schalttechnik dar. Diese Herausforderung haben wir mit der Entwicklung unserer neuen CF-Schütze angenommen und können jetzt eine leistungsfähige Lösung für diese Anwendungen anbieten.
Im Hochgeschwindigkeitszügen der 1. Generation wurden Käfigläufer-Asynchronmotoren in Verbindung mit Getrieben als Antriebe eingesetzt. Diese Kombination aus Motor und Getriebe hat den Nachteil einer hohen Schallemission des Fahrmotors aufgrund der notwendigen Fremdbelüftung. Außerdem führt das Getriebe zu hohen Anschaffungs- und Wartungskosten sowie erhöhter Platzbedarf und Gewicht. Mit der Verwendung von permanenterregten Synchronmotoren (PSM) als Direktantrieb kann auf Getriebe verzichtet werden. In der Folge sinken Lärmemission, Gewicht und Wartungsaufwand deutlich. Bei dieser Antriebsvariante wird die Geschwindigkeit direkt über die Frequenz der speisenden Umrichter geregelt.
Permanenterregten Synchronmotoren haben aber auch einen entscheidenden Nachteil: Bei Ausfall des Drehfeldes, zum Beispiel durch eine Störung des Umrichters, fungiert der Antrieb sofort als Generator, der die Energie ungeregelt in das Versorgungssystem zurückspeist. Dies muss im Fehlerfall unter allen Umständen verhindert werden. Dazu muss die elektrische Verbindung zwischen Umrichter und Motor durch Schütze unterbrochen werden
Bei PSM-Antrieben muss ein Schütz den Elektromotor sicher abtrennen können, um eine ungeregelte Rückspeisung im Fehlerfall zu verhindern.
Schütze sind elektrisch oder elektromagnetisch (in Sonderanwendungen auch pneumatisch) betätigte Schalter für große elektrische Leistungen. Schütze wurden entwickelt, um große Verbraucher aus der Ferne über Steuerleitungen mit relativ kleinem Querschnitt zu schalten. Beim Anlegen einer Steuerspannung an die Spule des Schützes zieht das Magnetfeld eine elektrische Brücke in einen aktiven Zustand – die Hauptkontakte schließen sich. Ohne Steuerspannung stellen Federn den Ausgangszustand wieder her – die Kontaktstrecke ist wieder offen.
Bei größeren Strömen und hohen Spannungen kann durch die hohe Stromdichte am Kontaktpunkt im Moment des Schaltvorgangs die Ionisationsschwelle der Luft überschritten werden. Es entsteht ein Plasma – ein Gas aus ionisierten Luftmolekülen und freien Elektronen – zwischen den Kontaktpunkten. Die Entstehung dieses so genannten Schaltlichtbogens hat zwei wesentliche Folgen: Erstens fließt trotz geöffneter Kontakte weiterhin Strom, da das Plasma eine hohe elektrische Leitfähigkeit aufweist. Zweitens treten sehr hohe Temperaturen bis zu 20.000 Kelvin auf, die Schäden an den Kontakten des Schützes sowie an umliegenden Anlagenteilen verursachen können. Durch den Nulldurchgang der Spannung, der bei einer Netzfrequenz von 50 Hertz spätestens nach 20 Millisekunden eintritt, kann dieser vergleichsweise einfach gelöscht werden. Problematisch ist dabei das Schalten von induktiven Lasten, da Spannung und Stromverlauf hier phasenverschoben sind. Bei energiereichen Lichtbögen, wenn Spannungen und Ströme relativ hoch sind, kann trotzdem eine Schädigung des Schützes bzw. der gesamten Anlage eintreten. Deswegen sind verschiedene Maßnahmen vorzusehen, um dem entgegenzuwirken.
Konventionell aufgebaute Schütze arbeiten mit Permanentmagneten oder elektromagnetischen Blasspulen, um den Lichtbogen schnell aus dem Kontaktbereich in die Löscheinrichtung zu treiben. Bei einer Frequenz von 50 Hertz verbleiben 20 Millisekunden, um den Lichtbogen auf die Leitstücke kommutieren zu lassen, die Blasspulen zu aktivieren und den Lichtbogen in die Löschkammer zu treiben. Da PSM-Antriebe mit höheren Frequenzen arbeiten, ändern sich hier die Voraussetzungen. Bei 400 Hertz beträgt das Zeitfenster nur noch 1,5 Millisekunden – dies ist für viele Schütze zu kurz, um den Lichtbogen kommutieren zu lassen. Außerdem ergeben sich noch weitere Effekte, die berücksichtigt werden müssen:
Zum einen entsteht durch das häufigere Ummagnetisieren bei 400 Hertz Wärme, die vor allem die metallischen Zusatzbauteile eines konventionellen Schützes, wie Polplatten und Magnetkerne stark erhitzen. Die vorhandenen Induktivitäten ergeben zusätzliche Zeitkonstanten, die einen Versatz von Spannung und Strom beim Nulldurchgang hervorrufen. Dadurch kann beim Nulldurchgang der Spannung der Strom noch so hoch sein, dass es sofort zu einem Wiederzünden des Lichtbogens kommt. Daher eignen sich konventionell aufgebaute Schütze nicht zum Schalten von höheren Frequenzen.
Um auch höhere Frequenzen sicher schalten zu können, bietet Schaltbau die neuen Schütze der Baureihe CF an. Mit diesen Schützen ist es möglich, durch Umrichter gespeiste Wechselstromanatriebe (PSM) mit höheren Frequenzen sicher zu schalten. Das hohe Ausschaltvermögen resultiert unter anderem aus der doppelten Kontaktunterbrechung pro Schaltkammer. Des Weiteren verfügt das CF über ein hohes Kurzschluss-Einschaltvermögen von 4 kA und eine hohe Kurzzeitstromtragfähigkeit von bis zu 5 kA.
Für die Lichtbogenlöschung in dieser Schütze-Baureihe verwendet Schaltbau das Prinzip der Schleifenwirkung. Stromdurchflossene Leiter bilden ein Magnetfeld, und auch der Schaltlichtbogen bildet während der Brenndauer ein Magnetfeld aus. In Verbindung mit einer speziellen Geometrie der Festkontakte und der Kontaktbrücke entsteht so eine Blaswirkung, die den Lichtbogen weg von der Kontaktzone in Richtung der Löschkammer treibt. Von den ferromagnetischen Löschblechen – den sogenannten Splitter Plates – wird er dann angezogen. Der Schaltlichtbogen kommutiert auf die Löschbleche und wird dann gelängt, gekühlt und zum Erlöschen gebracht, ohne das Schütz zu verlassen. Die neu entwickelten Schaltkammern können als Schließer, Öffner oder in Kombination als Umschalter konfiguriert werden. Verschiedene Löschkammerelemente aus Kunststoff, Stahl oder Keramik stehen zur Verfügung, so dass das Schütz exakt auf die Schaltanforderungen der Applikation ausgelegt werden kann.
Eine spezielle elektronische Sparschaltung steuert das Anzugsverhalten des Schützes unabhängig von der anliegenden Spulenspannung durch einen PWM-Controller. Sie stellt eine hohe Anzugsleistung zur Verfügung reduziert aber die Leistungsaufnahme im Haltebetrieb, was zu einer Verringerung der Verlustwärme führt. Aufgrund der integrierten Temperaturkompensation ist das sichere Anziehen bei allen geforderten Umweltbedingungen zuverlässig gewährleistet. Das Temperaturproblem konventioneller Schütze wird dadurch sicher vermieden.
Die Löschkammern der CF-Schütze sind so ausgelegt, dass sie Schaltlichtbögen auch bei höheren Frequenzen sicher beherrschen.
Um eine große Bandbreite in Bezug auf Strom und Spannung abzudecken und gleichzeitig eine spezifische Schützelösung für spezielle Anwendungen zu bieten, ist die Baureihe CF als modularer Baukasten ausgelegt. Ein- bis sechspolige Varianten für unidirektionalen Gleichstrom, bidirektionalen Gleichstrom und Wechselstrom bis zu mehreren hundert Hertz sind modular konfigurierbar – das Schütz kann somit optimal an die Kundenapplikation angepasst werden. Die Baureihe führt Ströme bis zu 400 A pro Schaltelement (in Parallelschaltung bis zu 1.800 A) bei Wechselspannungen oder Gleichspannungen bis 3.000 V. Der Anwender hat die Möglichkeit, sich ein Schütz genau für seine Applikation zu konfigurieren und kann damit seine Anwendung sowohl elektrisch, als auch hinsichtlich Bauvolumen und Kosten optimieren. Selbstverständlich erfüllen die Schütze der Baureihe CF alle Normen und Regelwerke für den Einsatz im Bahnbereich (u.a. EN 60077) und im Industriebereich (u.a. EN 60947).